Wird eine Behandlungsform vorgestellt, so läuft dies meist auf lange Listen mit Symptomen hinaus, die damit sinnvoll behandelt werden können: Rückenschmerzen, Hexenschuss, Bandscheiben-Probleme, Muskel- und Gelenkschmerzen, Arthrosen, Kopfschmerzen u.v.m. Und natürlich kann eine Bowen-Behandlung bei all diesen Beschwerden helfen.
Doch die von Tom Bowen entwickelte Methode beinhaltet in ihrem Wesen mehr als das „Abschalten“ von Symptomen. Patienten verweilen während einer Sitzung in tiefer und erfrischender Zentrierung, während sie gleichzeitig eine effektive Körperbehandlung erfahren. Bowen-Therapeuten arbeiten mit dem Bindegewebe bzw. dem Fasziensystem, das eine noch wenig erforschte Brückenfunktion zwischen körperlichem und seelischem Bereich innehat. Im Ergebnis kann damit weit mehr erreicht werden, als „nur“ schmerzfrei zu werden.
Wer zum ersten Mal eine Bowen-Behandlung bekommt, wundert sich meist über den ungewöhnlichen Ablauf. Der Therapeut lässt einen, unter einer Decke liegend, immer wieder minutenlange in Ruhe. Dann macht er wieder ein paar dieser schiebenden, rollenden Bewegungen mit den Daumen oder ein paar Fingern in tieferen Hautschichten oder über Muskeln. „Bowen Moves“ heißt der Fachbegriff dafür. Dann lässt er seinen Patienten wieder eine Pause.
Wem es gelingt, sich darauf einzulassen, kann in eine tiefe Entspannung sinken. Manchmal wirken die Moves im Körper nach, und es fühlt sich an wie ein perlendes oder leise vibrierendes Nachklingen im Gewebe. Oder eine Art Schmerz taucht kurz auf und klingt wieder ab. Viele Patienten fühlen sich unmittelbar nach der Behandlung körperlich und seelisch leichter und geschmeidiger, kraftvoller und optimistischer.
Nach einer Behandlung sollte dem Körper Gelegenheit gegeben werden, sich neu zu sortieren, indem man körperliche Anstrengungen reduziert, Spitzenbelastungen vermeidet, nicht zu lange am Stück sitzt, sich genug gutes (!) Wasser zuführt und auch mal, wenn möglich, eine halbe Stunde in frischer Luft spazieren geht. Auf diese Weise bekommt der Körper die Gelegenheit, die durch die Behandlung angestoßene Selbstregulation umzusetzen. Gelingt sie, werden Symptome, welche vorhandene Funktionsstörungen angezeigt haben, überflüssig und können verschwinden.
Regulation statt Reparatur – Bowen Therapie ist weniger eine gezielte Reparatur, wie sie z.B. für ein Auto sinnvoll ist, als vielmehr ein Regulationsimpuls. Regulation macht für lebende Systeme mehr Sinn als eine mechanische Reparatur – solange alles, was zur Selbstregulation nötig ist, noch regenerationsfähig und grundsätzlich funktionstüchtig ist. Eine Reparaturmaßnahme (z.B. in Form einer isolierten Veränderung von Mechanismen durch Medikamente) greift bei Lebewesen in einen Regelkreis mit unendlich vielen unbekannten Stellgrößen und Wirkkaskaden ein.
Ein Regulationsimpuls hingegen unterstützt und stärkt die Bedingungen, die ein Lebewesen zur gesunden Funktion benötigt. Dieser Vergleich beschreibt, wie Sie sicher festgestellt haben, die beiden Grundhaltungen der Schulmedizin und der Naturheilkunde. Gezielte Reparaturen geben einem kurzfristig mehr Kontrolle. Sie sind natürlich auch unabdingbar, wenn die Selbstregulation durch massive Schäden gar nicht mehr greifen kann. Längerfristig jedoch führen Eingriffe im Sinne von mechanistisch wirkenden Reparaturmaßnahmen zu einem dem Körper aufgezwungenen und entsprechend instabilen Zustand, der ihn immer mehr von einem natürlichen Gleichgewicht entfernt.